Mit dem neuen Wind-an-Land-Gesetz soll die Rechtsgrundlage für einen schnelleren Ausbau der Windenergie an Land geschaffen werden. Andreas Lahme, Fachanwalt für Verwaltungsrecht beleuchtet die Veränderungen, die das Gesetz mit sich bringt.

Am 28. Juli 2022 ist das „Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land“, kurz Wind-an-Land-Gesetz (WaLG), im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Kern dieses Artikelgesetzes ist das „Windenergieflächenbedarfsgesetz“ (WindBG), mit dem die Rechtsgrundlage dafür geschaffen wird, dass in Zukunft mindestens 2 % der Bundesfläche für die Nutzung der Windenergie zur Verfügung stehen müssen. Darüber hinaus enthält das Gesetz Änderungen des Baugesetzbuches (BauGB), des Raumordnungsgesetzes (ROG) und des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG), die im Wesentlichen Anpassungen an das neue Konzept des WindBG zum Gegenstand haben.

Was ändert sich?
Das WindBG tritt, wie auch die weiteren Bestandteile des WaLG, trotz der Verkündung Ende Juli erst am 1. Februar 2023 in Kraft. Es beinhaltet zunächst einmal einen Arbeitsauftrag für die Bundesländer. Diese müssen danach sogenannte „Windenergiegebiete“ finden, die in Summe dem im WindBG für sie jeweils festgelegten „Flächenbeitragswert“ entsprechen. Für NRW sind das 1,8 % der Landesfläche, für Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz jeweils 2,2 % für Bayern 1,8 % und für die Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin jeweils 0,5 %, um nur einige zu nennen. Dafür haben die Länder Zeit bis zum 31. Dezember 2032. Vorher müssen Sie allerdings Teilziele erreicht haben. Bis zum 31. Dezember 2027 muss NRW z.B. 1,1 % der Landesfläche zur Verfügung stellen, ebenso Bayern, in Hessen sind es 1,8 %, in Rheinland-Pfalz 1,7 % usw. Bis zur Erreichung dieser 1. Stufe der Flächenbereitstellung ändert sich für die „Rechtsanwender“, also u.a. Projektierer und Genehmigungsbehörden, grundsätzlich nichts. Windenergieanlagen sind im Außenbereich grundsätzlich privilegiert, bestehende Flächennutzungspläne mit Konzentrationszonen bleiben bestehen. Bis zum 1. Februar 2024 können Kommunen sogar noch neue Flächennutzungspläne mit Ausschlusswirkung aufstellen.

Wie sieht der Zeitplan für NRW aus?
In NRW ist laut dem Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung vorgesehen, die Flächenvorgaben des WindBG über die Landes- und Regionalplanung umzusetzen. Die räumliche Steuerung der Windenergie durch Flächennutzungspläne der Gemeinden, wie wir sie bislang kennen, entfällt damit künftig. Die Landesregierung lässt derzeit ermitteln, welche Region des Landes welchen Anteil der gut 614 qkm oder 61.400 ha (1,8 % der Landesfläche) zu übernehmen hat. Diese Anteile werden den insgesamt sechs Planungsregionen (Münster, Detmold, Arnsberg, Köln, Düsseldorf sowie Regionalverband Ruhr) im Landesentwicklungsplan zugewiesen. Der Entwurf des Landesentwicklungsplans soll bis zum Frühjahr 2023 erarbeitet und dann beraten werden. Derzeit ist geplant, ihn innerhalb der dafür im WindBG bis zum 31. Mai 2024 vorgesehenen Frist in Kraft zu setzen. Die regionalen Planungsträger haben dann die Aufgabe, die für ihre Region vorgesehenen Hektarzahlen in konkrete Flächen zu „übersetzen“. Sie sind ausdrücklich aufgefordert, mit der Suche nach geeigneten Flächen nicht bis zum Inkrafttreten des Landesentwicklungsplans zu warten, sondern möglichst umgehend zu beginnen. Für die 1. Stufe der Flächenbereitstellung müssen bis zum 31. Dezember 2027 in den Regionen zusammen 1,1 % der Landesfläche, also rund 37.524 ha ausgewiesen werden, die restlichen knapp 23.880 ha müssen bis zum 31. Dezember 2032 folgen.

Wie ist die Rechtslage nach der Umsetzung?
Mit der Ausweisung der sogenannten „Windenergiegebiete“ hat der jeweilige Planungsträger im Rahmen der öffentlichen Bekanntmachung des Plans förmlich festzustellen, dass er die von ihm zu erfüllenden Flächenziele erreicht hat. Mit der Feststellung entfällt die Privilegierung der Windenergie im Außenbereich für das Gebiet des jeweiligen Planungsträgers. Windenergieanlagen sind dann regelmäßig nur noch innerhalb der Windenergiegebiete zulässig. Außerhalb dieser Bereiche gelten sie als „sonstige Vorhaben“ und sind im Außenbereich deshalb in der Regel nicht genehmigungsfähig.

Auf den ersten Blick ändert sich also, abgesehen davon, dass die Herbeiführung der Ausschlusswirkung außerhalb der für die Windenergie ausgewiesenen Gebiete, also die räumliche Steuerung der Windenergie, von der Ebene der kommunalen Bauleitplanung auf die Ebene der Regionalplanung verlagert wird, gar nicht viel. Allerdings dürfen Windenergieanlagen künftig mit ihrem Rotor auch über die äußere Grenze eines Windenergiegebiets hinausragen, wenn dies im Plan nicht ausdrücklich anders geregelt ist. Darüber hinaus kommt der Windenergienutzung innerhalb der Windenergiegebiete im Vergleich zur jetzigen Rechtslage eine noch einmal deutlich verstärkte Durchsetzungskraft gegenüber anderen öffentlichen Belangen zu. So sind sie künftig auch in Landschaftsschutzgebieten aufgrund einer weiteren Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes demnächst regelmäßig zulässig, ohne dass es noch einer besonderen Befreiung bedarf. Wichtig ist vor allem aber auch, dass der Planungsträger bei der Ausweisung von Windenergiegebieten an entgegenstehende Ziele der Raumordnung oder entgegenstehende Darstellungen in Flächennutzungsplänen nicht gebunden ist, soweit dies erforderlich ist, um das für ihn geltende Teilflächenziel zu erreichen. Diese Befreiung von der Bindungswirkung entgegenstehender Planinhalte gilt dann innerhalb der Gebiete folgerichtig auch für das Anlagengenehmigungsverfahren.

Was geschieht bei Nicht-Erfüllung der Flächenziele?
Sollten die Flächenziele vom zuständigen Planungsträger allerdings nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, gilt im gesamten Planungsraum dieses Planungsträgers, in NRW also regelmäßig für den betroffenen Regierungsbezirk, uneingeschränkt die Privilegierung der Windenergie im Außenbereich. Jegliche Ausschlusswirkung durch Flächenausweisungen entfällt.

Unabhängig von der dem regionalen Planungsträgern obliegenden Aufgabe zur Ausweisung von Windenergiegebieten in dem ihnen übertragenen Flächenumfang sind die Gemeinden weiterhin uneingeschränkt berechtigt, zusätzlich weitere Positivflächen für die Windenergienutzung durch ihre kommunale Bauleitplanung zur Verfügung zu stellen.

Und was ist mit dem 1.000 m-Mindestabstand?
Die neue Landesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, den pauschalen Mindestabstand für Windenergieanlagen zu Wohnhäusern in geschlossenen Siedlungsbereichen oder innerhalb von Außenbereichssatzungen zeitnah nur für Repoweringvorhaben abzuschaffen. Für Neuvorhaben soll der Abstand durch die Ausweisung der Windenergiegebiete entfallen. Für deren Abgrenzung spielt der pauschale Mindestabstand keine Rolle. Diese unterschiedliche Vorgehensweise für Repowering- und Neuvorhaben ist sachlich nicht nachvollziehbar. Deshalb setzt sich der LEE NRW weiterhin für eine schnelle und gleichzeitige Aufhebung des Mindestabstands für alle Windenergieprojekte ein.

Fazit
Das WindBG hat ausdrücklich das Ziel, den beschleunigten Ausbau der Windenergie an Land zu fördern. Ob dieses Ziel mit dem planerischen Konzept, das das Gesetz verfolgt, zu erreichen ist, erscheint zumindest fraglich. Dagegen sprechen bereits die langen Umsetzungsfristen. Laut EEG soll der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch im Jahr 2030 bereits bei 80 % liegen. Wenn die notwendigen Flächen für die Windenergieanlagen, die den dafür erforderlichen Strom produzieren sollen, aber erst bis Ende 2032 zur Verfügung stehen müssen, ist Skepsis angebracht, zumal mit der Ausweisung der Fläche noch keine Genehmigung erteilt, geschweige denn eine Windenergieanlage in Betrieb genommen wurde. Der LEE NRW hatte, wie auch andere Verbände, weitergehende Vorschläge gemacht, zu deren Umsetzung aber offenbar der politische Mut fehlte. Abgesehen von den Umsetzungsfristen, enthält das Gesetz eine Reihe durchaus begrüßenswerter Regelungen, die es nun mit Leben zu füllen gilt. Es sind jetzt alle 16 Landesregierungen und -parlamente aufgerufen, die sie treffenden Flächenziele schnellstmöglich und am besten gleich im ersten Durchgang vollständig zu erfüllen, um die enormen Potenziale der Windenergie beim dringend notwendigen Umbau der Energieversorgung zu nutzen.